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Stadt Forum 83

Zwi­schen Spar­zwang und Son­der­ver­mö­gen

Finanzielle Prioritäten
für Potsdams Zukunft

11.12.2025 / 18:00 / Rechenzentrum, Kosmos (EG), Dortustr. 46, 14467 Potsdam

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Eine Anmeldung ist nicht nötig.

Erst nach inten­si­ven Dis­kus­sio­nen konn­te die Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung Pots­dam (SVV) am 7. April 2025 den städ­ti­schen Haus­halt für das Jahr 2025 beschlie­ßen. Die­ser Haus­halt sieht deut­lich weni­ger Ein­spa­run­gen in den Berei­chen Sozia­les, Jugend und Kul­tur vor als im ursprüng­li­chen Ent­wurf der Stadt­ver­wal­tung vom Janu­ar 2025 vor­ge­se­hen. Die ursprüng­lich vor­ge­leg­te Spar­lis­te, die 180 Punk­te umfass­te, wur­de von meh­re­ren Frak­tio­nen in der SVV stark kri­ti­siert, da sie den „sozia­len Zusam­men­halt gefähr­den“ wür­de. In Abwei­chung vom ursprüng­li­chen Ent­wurf wur­den zahl­rei­che Ein­schnit­te ver­mie­den und u.a. das ver­bil­lig­te Schü­ler­ti­cket, die För­de­rung kul­tu­rel­ler Ein­rich­tun­gen wie des Hans-Otto-Thea­ters, der Stadt­bi­blio­thek und der Volks­hoch­schu­le und Mit­tel für Baum­pflan­zun­gen und Grün­flä­chen­pfle­ge erhal­ten. Nicht ver­mie­den wer­den konn­te, dass Steu­ern und Abga­ben, z.B. die Über­nach­tungs- und die Gewer­be­steu­er, erhöht wur­den. Ins­be­son­de­re aber sol­len geplan­te Auf­wüch­se bei den städ­ti­schen Auf­wen­dun­gen für Sach- und Dienst­leis­tun­gen redu­ziert wer­den. Trotz der engen finan­zi­el­len Situa­ti­on sol­len die not­wen­di­gen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­se wie die Ener­gie- und Wär­me­wen­de, die Digi­ta­li­sie­rung sowie die Ver­kehrs­wen­de wei­ter­ge­führt wer­den.

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Die kommunale Finanzkrise 

Die bei vielen anderen Kommunen seit längerem schon manifeste kommunale Finanzkrise hat offensichtlich nun auch die Landeshauptstadt Potsdam erfasst, die durch ihre vielfältige Wirtschaftsstruktur, durch eine gute Infrastrukturausstattung sowie durch das vergleichsweise hohe Einkommen ihrer Bürger in den Jahren 2013 bis 2020 beträchtliche Rücklagen aufbauen konnte. Damit wird es notwendig, einen weitergefassten Blick auf die finanzielle Situation der deutschen Kommunen und die Struktur der Kommunalfinanzierung zu werfen.

 

„Die kommunalen Haushalte kollabieren gerade.“
Burkhard Jung, OB Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages, Sept. 2025

 

Nach Einschätzung der Bertelsmann-Stiftung ist die Finanzlage vieler deutscher Kommunen im Jahr 2024 aus mehreren Gründen eingebrochen. Im Kommunalen Finanzreport 2025 der Bertelsmann-Stiftung wird für die finanzielle Situation der Kommunen im Jahr 2024 ein Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro ermittelt, das es seit 1990 nicht mehr gegeben hat. Die kommunalen Steuereinnahmen stagnieren v.a. aufgrund der schwachen Konjunktur. Gleichzeitig wachsen aufgrund von Entscheidungen auf Bundesebene wichtige kommunale Aufgabenfelder wie die Sozialausgaben, aber auch die Personalkosten. Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels erfordert den Aus- und Umbau der kommunalen Infrastrukturen. Trotz gestiegener kommunaler Investitionen wächst der Investitionsstau bei Schulen, Kindertagesstätten sowie bei der kommunalen Verkehrsinfrastruktur etc. stetig an. (Deutscher Städtetag, Pressemeldung v. 16.9.2025).

 

Wir können von strukturell unterfinanzierten Kommunen sprechen.“
Kommunaler Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung, S. 78)

 

Die Unterfinanzierung der Kommunen betrifft v.a. die Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe sowie die Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Ebenfalls betroffen sind der kommunale ÖPNV (zusätzliche Kosten des Deutschlandtickets) sowie die kommunalen Krankenhäuser. Nach Meinung von Frank Nopper (OB Stuttgart) muss der Bund zukünftig bei allen Leistungen, die er vorschreibt, dafür sorgen, dass die Kommunen, die diese Leistungen auszahlen, auch die nötigen Finanzmittel erhalten. Bei bereits versprochenen Sozialleistungen müsse dies nachgeholt werden

Die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordern konkret, den Anteil der Kommunen an den Gemeinschaftssteuern zu erhöhen und die Milliarden aus dem neuen Investitionsfonds schnell und unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Für das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse dürften sich die Unterschiede zwischen finanzschwachen und -starken Kommunen nicht verschärfen: Aufgaben aus Gesetzen des Bundes seien vom Bund zu bezahlen (Verdi-Presseerklärung v. 14.5.25). Gefordert wird:

- Eine Entlastung der Städte bei den stetig ansteigenden Sozialkosten, die großenteils vom Bund veranlasst werden
- Eine Neuordnung der staatlichen Aufgaben, die die Städte entlastet
- Eine Entbürokratisierung und Digitalisierung bei den an die Kommunen übertragenen Aufgaben


„Uns brennt der Kittel.“
Frank Nopper (OB von Stuttgart) in einem Brandbrief der Oberbürgermeister von 13 Bundeshauptstädten an Bundeskanzler Merz, Mitte Oktober 2025

 

Die zukünftigen Herausforderungen im Kommunalbereich liegen zum einen im Sozialsektor, zum anderen im Sektor Klimaschutz und Klimaanpassung. Die Bewältigung dieser Zukunftsaufgaben wird erschwert dadurch, dass sich in den vergangenen Jahren im Kommunalbereich ein umfangreicher Investitionsstau aufgebaut hat, dessen Volumen auf ca. 216 Mrd. € geschätzt (Kommunaler Finanzreport 2025) wird.

Für die Finanzierung der anstehenden Aufgaben gibt es nach Einschätzung des Kommunalen Finanzreports folgende Optionen:

  • Die Aufstockung des von der Bundesregierung eingerichteten Klima- und Transformationsfonds durch ein Sondervermögen Kommunale Infrastruktur von 100 Mrd. €.
  • Ebenfalls erwogen wird die Einführung einer „Gemeinschaftsaufgabe kommunale Infrastruktur“, bei der nicht nur der Bund allein, sondern Bund, Länder und Kommunen gemeinsam entscheiden.
  • Eine weitere Option wäre die Reform der den Kommunen zukommenden Steuern, etwa eine Reform der Gewerbesteuer, der wichtigsten Gemeindesteuer. Auch zur Diskussion steht eine Neuaufteilung der Gemeinschaftssteuern (Einkommensteuer, Kapitalsteuer und Umsatzsteuer), deren Aufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen bereits in den vergangenen Jahren immer wieder geändert wurde.
  • Schließlich ist auch eine Unterstützung der Kommunen im Gespräch, deren Haushalte besonders durch Altschulden belastet wird.

 

Der Kommunalhaushalt Potsdams

Der nun beschlossene Kommunalhaushalt 2025 (s. Übersicht auf S. 5) hat ein Volumen von ca. 1,1 Milliarden €. Zwischen erwartetem Ertrag und erwartetem Aufwand für 2025 klafft ein Defizit von 31 Mio €. Ein Großteil der im Haushaltplan 2025 vorgesehenen Investitionen geht an das Ernst-von-Bergmann-Klinikum und in den Straßenbau. Für die Jahre 2026 und 2027 ist mit nennenswerten Verlusten zu rechnen, die auch durch reduzierte Schlüsselzuweisungen verursacht werden. Der Kämmerer Burkhard Exner rechnet für 2026 mit einem Gesamtdefizit von 44 Mio. €, das nur durch Rücklagen ausgeglichen werden kann. Zudem stehen für die Folgejahre Mindereinnahmen bevor, für die bisher noch kein belastbarer Ausgleich gefunden werden konnte. Daher wurde von der SVV für die Folgejahre 2026 und 2027 ein freiwilliges Konsolidierungsprogramm beschlossen, bei dessen Umsetzung ab 2028 mit einem ausgeglichenen Kommunalhaushalt gerechnet werden kann.


„Ein Sparzwang bei Kultur, Sport und Sozialem ist ausdrücklich nicht unser Ziel.“
Burkhard Exner, Finanzbeigeordneter

Der auf Potsdam entfallende Anteil an den Gemeinschaftssteuern (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) ist in den vergangenen Jahren gleichgeblieben. Die Entwicklung der Gewerbesteuer – die fast 50 % der Potsdamer Steuereinnahmen ausmacht – ist in den letzten Jahren positiv verlaufen. Allerdings ist die Gewerbesteuer für Potsdam in den vergangenen Jahren beträchtlich erhöht worden. Die langfristigen Schulden der Stadt Potsdam sind hingegen zurückgegangen. Im Jahr 2025 betrug der Schuldenstand pro Kopf 241,30 € (ohne Kommunalen Immobilienservice) , für das Jahr 2028 wird ein Schuldenstand von 173,96 € pro Kopf angestrebt. Dies wird nur möglich, weil die Stadt Rücklagen in Anspruch nimmt, die vor längerem gebildet wurden.

Wie in anderen Städten ist es bereits in den Vorjahren immer wieder zu öffentlichen Debatten über machbare Einsparpotentiale bzw. über Prioritäten bei möglichen Einsparungen gekommen. Diese Diskussionen konzentrieren sich meist auf die freiwilligen Ausgaben im Kommunalhaushalt, also auf diejenigen Ausgaben, zu denen die Stadt nicht gesetzlich verpflichtet ist. Debatten um Kürzungen der freiwilligen Aufgaben im Bereich Kultur sind in Potsdam nicht neu. Im April 2020 wurde in Potsdam die Initiative KulturMachtPotsdam ins Leben gerufen mit dem Ziel, die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur sichtbar zu machen. Mit dem gemeinsamen Engagement der hier zusammengeschlossenen Akteure sollen drohende Kürzungen der Kulturmittel und Einschnitte für die kulturelle Vielfalt in der Stadt abgemildert bzw. vermieden werden. Der Kulturhaushalt spielt im Potsdamer Haushalt eine besondere Rolle, da Potsdam auch durch seine Rolle als Landeshauptstadt über einige kommunale Kultureinrichtungen verfügt, deren Strahlkraft weit über Potsdam hinausgeht. Dazu gehören beispielsweise das Hans-Otto-Theater und die Musikfestspiele Sanssouci und Nikolaisaal Potsdam, die beide als gemeinnützige GmbHs vollständig aus dem Kommunalhaushalt finanziert werden.

In diesem Zusammenhang spielt auch die neue kulturpolitischen Strategie für Potsdam eine wichtige Rolle, die 2024 von einem Team unter der Leitung von Prof. Dr. Julia Glesner von der Fachhochschule Potsdam, begleitet von einem Strategiebeirat, u.a. mit Mitgliedern des Kulturausschusses, vorgelegt wurde. Ihr Ziel ist u.a. eine stärkere Kooperation der institutionellen Kulturträger, aber auch der freien Gruppen v.a. im Hinblick auf eine höhere Resistenz gegen Kürzungsinitiativen.


Fragen für die Diskussion:

  1. Wie können der Stadtgesellschaft die Notwendigkeit von Einschnitten und ein Wegfall von Leistungen vermittelt werden?
  2. Wie kann in einer vielfältigen Stadtgesellschaft und bei einer in neun Fraktionen geteilten Stadtverordnetenversammlung ein Prozess hin zur Entwicklung einer strategischen Prioritätensetzung aussehen?
  3. Wie können notwendige Strukturreformen innerhalb der Verwaltung gelingen, wenn es am notwendigen Personal fehlt?
  4. Gibt es neben den in Potsdam bereits praktizierten Steuererhöhungen (z.B. erneute Erhöhung der in Potsdam schon recht hohen Gewerbesteuer und der Übernachtungssteuer) noch weitere Möglichkeiten zu Verbesserungen bei den Einnahmen?
  5. Wie können Effizienz und Bürokratieabbau helfen, auch bei freiwilligen Leistungen in den Bereichen Kultur und Soziales zum Erhalt der Vielfalt beizutragen?
  6. Was kann Potsdam als Landeshauptstadt tun, um zu grundsätzlichen Änderungen der Kommunalfinanzen beizutragen?

 

Für die Kerngruppe
Günter Schlusche

  

Quellen:

Stadtverwaltung Potsdam, Haushaltssatzung mit Haushaltsplan und Anlagen für das Haushaltsjahr 2025

Stadtverwaltung Potsdam, Haushalt – Wo die Stadt Geld einsetzt und wie Sie dabei mitreden können. Broschüre Projektteam Bürgerhaushalt, Potsdam Mai 2025

Stadtverwaltung Potsdam, Pressemitteilung Nr. 23 v. 20.1.2025, Pressemitteilung Nr. 144 v. 8.4.2025

Gemeinsame Presseerklärung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und der Verdi-Gewerkschaft zur kommunalen Finanzsituation v. 14.5.2025

Interview mit Frank Nopper (Oberbürgermeister von Stuttgart) im Tagesspiegel v. 30.10.25

Ronny Freier/René Geißler/Christian Raffer/Henrik Scheller für die Bertelsmann-Stiftung, (Hsg.), Kommunaler Finanzreport 2025 – Knappe Kassen, große Aufgaben; Gütersloh 2025

 

 

 

Beiträge

Dr. Henrik Scheller

Teamleiter

Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin

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Katharina Erbeldinger

Stadtverordnete Potsdam

Vorsitzende Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen

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Heike Bohmann

Sprecherin

KulturMachtPotsdam

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Agnes von Matuschka

Geschäftsführerin

Potsdam Science Park

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Uwe Rühling

Sprecher

Potential für Potsdam

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Christopher Weiss

Geschäftsführer

Glockenweiß GmbH Berlin/Potsdam

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Prof. Dr. Hermann Voesgen

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