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Stadt Forum #76
Kirchsteigfeld und Bornstedter Feld
Zwischenbilanz nach 30 Jahren
14.9.2023 / 18:00 / Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, 14467 Potsdam
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Vor 30 Jahren wurde in Potsdam der Startschuss für die Entwicklung des Kirchsteigfelds und des Bornstedter Felds gegeben, also für zwei städtebauliche Neubauquartiere, die für die weitere Entwicklung von Potsdam prägend geworden sind. Das gilt nicht nur für die turbulente Phase nach der Wende in den 90er Jahren, wo ein großer Neubaubedarf bestand und wo neue Grundlagen für die gesamte Entwicklung der Stadt gelegt wurden. Das gilt aber auch heute, wo Potsdam nach einem vorübergehenden Einbruch wieder eine stark wachsende Stadt ist, die zahlreiche Planungen für Neubau, Erweiterung und Bestandsentwicklung von Wohnquartieren vorantreibt. Der 30. Jahrestag dieser zwei Quartiere ist daher ein guter Anlass, sich wieder mit ihnen zu beschäftigen, ihre Ergebnisse zu analysieren und kritisch zu reflektieren, um daraus für die jetzt anstehenden Bauaufgaben die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Wir freuen uns auf eine lebendige Diskussion mit Expert:innen und Ihnen – den Potsdam Bürger:innen.
Das Kirchsteigfeld
Das Kirchsteigfeld liegt im Potsdamer Südosten im Süden des Stadtteils Drewitz und wurde in den Jahren 1993 bis 1998 als erstes großes Neubauquartier Potsdams nach der Wende mit ca. 2.500 Wohnungen fertiggestellt. Für seine ca. 5.000 Einwohner, deren Alter unter dem Potsdamer Durchschnitt liegt, stehen eine Grundschule und drei Kindertagesstätten, Grünanlagen entlang des Hirtengrabens und zahlreiche Stadtplätze zur Verfügung (alle Zahlen zum Kirchsteigfeld s. LHP Potsdam, Statistischer Informationsdienst 2022).
Entwicklung
Nach einem Planungswettbewerb erhielt das Konzept der Architekten Rob Krier (Wien/Berlin) und Christoph Kohl (Berlin) den Zuschlag von dem Berliner Wohnungsbauinvestor Groth und Graalfs, der das ca. 60 ha große, bis dahin unbebaute Gelände zwischen der Ortslage des alten Dorfs Drewitz und der Autobahn A 115 bereits 1991 erworben hatte. Das städtebauliche Gesamtkonzept von Krier und Kohl für dieses Quartier folgte den Prinzipien der traditionellen europäischen Stadt mit einer Blockrandbebauung entlang eines um zwei Hauptachsen neu konzipierten Straßennetzes. Die Blockrandbebauungen in geschlossener, teiloffener und offener Bauweise mit Platzbildungen wurden von 30 verschiedenen Architekten aus mehreren Ländern in einer Architektur entworfen, die sich von der Moderne sowie von der autogerechten Stadt abgrenzt. Besonderer Wert wurde auf eine differenzierte Platz- und Straßenraumgestaltung sowie auf die Umsetzung eines übergreifenden Farbkonzepts gelegt.
Heutige Situation
Die ursprüngliche Gesamtplanung wurde nicht vollständig umgesetzt, denn ein großes Gewerbegebiet im Osten des Quartiers wurde nicht realisiert. Daher kam die ursprünglich intendierte Nutzungsmischung von Wohnen und Gewerbe nur in Ansätzen zustande, zudem wurde die Wohnungsbautypologie zugunsten von eigentumsfähigen Reihenhäusern abgeändert. Ein Großteil der ursprünglich im geförderten Wohnungsbau errichteten Wohnungen des Kirchsteigfelds wurde zwischenzeitlich an die Vonovia SE verkauft. Gewerbeeinheiten stehen immer wieder leer und der zeitweise geschlossene Supermarkt konnte erst wieder geöffnet werden, nachdem der angrenzende zentrale Stadtplatz vor der ebenfalls neu errichteten Versöhnungskirche großenteils zum Autoparken umgewidmet wurde. Für die brachliegende Gewerbefläche im Osten gab es Investorenprojekte, die bis jetzt jedoch nicht realisiert wurden. Das Kirchsteigfeld verfügt über eine leistungsfähige Tramverbindung, die es über die Heinrich-Mann Allee mit der Innenstadt verbindet. Seit 4 Jahren existiert ein Stadtteilladen, der aufgrund einer Bewohnerinitiative zustande kam und mit finanziellen Mitteln der Stadtverwaltung sowie mit Unterstützung der Kirchengemeinde betrieben wird. Erst in jüngerer Zeit zeichnet sich eine positive Entwicklung für die bisher ungenutzte Gewerbefläche mit einer an die Struktur des Kirchsteigfelds angepassten Nutzungsmischung aus Wohnen und Gewerbe ab, die zugleich für Schallschutz vor der Autobahn sorgen könnte.
Das Bornstedter Feld
Das Bornstedter Feld ist eine zentrumsnahe ehemalige Militärfläche im Norden der Potsdamer Innenstadt, die nach über 250-jähriger Nutzung als Exerzierplatz und Kasernengelände – erst durch das preußische Militär, dann durch die sowjetische Armee – 1994 mit deren Abzug wieder frei verfügbar wurde. Seitdem sind auf dieser ca. 300 ha großen Fläche mehrere, mit Wohnen und Gewerbe gemischt genutzte Quartiere und ein ca. 63 ha großer Volkspark (2001 BUGA-Park) mit einer Ausstellungshalle (2001 BUGA-Halle, jetzt Biosphäre) entstanden. Freiraumplanerisch wurden bedeutende Landschaftselemente der Lennéschen Kulturlandschaft und Teile des zentralen Exerzierfelds erhalten. Neben den Schul- und Kitabauten wurde auch der Campus der Fachhochschule Potsdam im Südosten fertiggestellt. Weitere Kasernenbauten, meist aus preußischer Zeit, wurden zu Schulen, Gewerbe- und Wohnbauten umgenutzt. Seit 2001 wird das Bornstedter Feld durch zwei Straßenbahnlinien erschlossen,
Entwicklung
Die gesamte Entwicklung des Bornstedter Felds beruht auf der bereits 1993 erfolgten Ausweisung als städtebaulicher Entwicklungsbereich nach BauGB und der parallelen Gründung des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld (ETBF), wodurch die Anwendung spezieller Städtebau- und Grundstücksrechte möglich wurde – eine wichtige Rahmenbedingung auch für die Durchführung der sehr umfangreichen Altlastensanierung. Am Anfang der Planungen stand eine gemeinsame Initiative des Bunds Deutscher Architekten (BDA Bezirksgruppe Bonn-Rhein-Sieg und Bezirksgruppe Potsdam), dessen Mitglieder 1993 ein städtebauliches Rahmenkonzept vorlegten. Die Grundzüge und Hauptelemente dieses Konzepts, nämlich der Erhalt der landschaftlichen Besonderheiten, eine zentrale Grünfläche mit Vernetzungen zum Pfingstberg und zum Ruinenberg und die Kasernen als Quartierskerne, lassen sich auch in dem heute realisierten Konzept wiederfinden. Als Motor der Entwicklung fungierte die Bundesgartenschau 2001, für die der heutige, 63 ha große Volkspark und die heutige Biosphärenhalle fertiggestellt wurden. Ein weiterer wichtiger Anschubfaktor war auch die Fachhochschule Potsdam (FHP) mit ihren ca. 3.700 Studierenden und ca. 300 Mitarbeitern, die bereits 1993 dort ihre ersten Gebäude bezog. Im Rahmen der baulichen Umsetzung hat der ETBF in allen diesen Quartieren zahlreiche städtebauliche wie auch Architektur- und Freiraumwettbewerbe für die öffentlichen Bauvorhaben durchgeführt.
Heutige Situation
Heute gliedert sich das Bornstedter Feld in das Quartier Pappelallee mit dem FHP-Campus im Südosten, das Quartier Kirschallee im Westen, die Gartenstadt im Nordwesten und das Quartier Rote Kaserne West im Nordosten, die alle mit dem Volkspark verbunden sind. Dazu gehören ebenfalls 3 Grundschulen, 11 Kitas, 1 Gesamtschule, 1 Oberstufenzentrum, zahlreiche Gewerbestandorte, überwiegend in ehemaligen Kasernenbauten, sowie 2 Nahversorgungszentren. Auf der Grundlage der städtebaulichen Rahmenkonzeption wurde die Baustruktur quartiersweise entwickelt und enthält eine Vielzahl von Bautypologien im Geschoßbau, als Doppelhäuser, Einfamilienhäuser, im Eigentum und zur Miete.
Auf dem Areal sind 8.000 Wohnungen für ca. 14.500 Einwohner fertiggestellt, mit dem Bau der restlichen Wohnungen wird nach den Informationen des ETBF in den nächsten Jahren gerechnet, denn die Nachfrage ist nach wie vor groß. In den Gewerbestandorten des Bornstedter Felds sind Arbeitsplätze für z.Zt. 4.300 Menschen überwiegend im Büro- und Dienstleistungsbereich vorhanden.
Bei einem Vergleich der beiden Quartiere fallen die Unterschiede bei den Realisierungszeiträumen und beim Städtebau ins Auge. Beide Quartiere sind zwar noch nicht vollständig bebaut, aber der Wohnungsbau im Kirchsteigfeld wurde innerhalb von nur 6 Jahren fertiggestellt, während die Realisierung des Wohnungsbaus im – deutlich größeren - Bornstedter Feld mindestens 23 Jahre in Anspruch nahm. Auch städtebaulich sind deutliche Unterschiede erkennbar. Das Kirchsteigfeld ist durch eine recht homogene, in der Regel viergeschossige Wohnbebauung geprägt, während die Bebauungsstruktur des Bornstedter Felds heterogen ist und durch eine stärkere Vielfalt von Bauformen geprägt ist
Fragen zur Diskussion
- Was sind die Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung der beiden Quartiere?
- Wie stellen sich die beiden Quartiere unter den aktuellen Anforderungen des nachhaltigen Städtebaus (Ressourcenschonendes Bauen, Klimaschutz, C02-Bilanz, Mobilitätskennziffern, klimagerechter öffentlicher Raum) dar?
- Welche planerische Methode bietet für die heutigen Anforderungen an Wohnungsbauquartiere mehr Gewähr für ein bedarfsgerechtes Ergebnis: Die stufenweise Anpassung der (flexiblen) Planungskonzeption über einen längeren Zeitraum oder die zügige Umsetzung eines städtebaulich ambitionierten Konzepts „aus einem Guss“?
- Was würde die vollständige Umsetzung des Planungskonzepts (Fertigstellung des Gewerbegebiets im Osten) für das Kirchsteigfeld bedeuten: Neue Belastungen oder eine Belebung des Stadtteils?
- Wie kann für die anstehende Bebauung im Kirchsteigfeld eine deutlich nachhaltigere Bauweise und eine höhere Sozialverträglichkeit erzielt werden?
Literatur
Rob Krier/Christoph Kohl, Potsdam Kirchsteigfeld – The making of a town/Eine Stadt entsteht, Berlin 1997
Laura Mameli, New Urbanism – Die Siedlungen Kirchsteigfeld und Karow Nord, in: Karin Berkemann(Hg.), Das Ende der Moderne? Berlin 2021
Magistrat der Stadt Potsdam und BDA Arbeitsgruppe Potsdam-Bonn, Stadt Potsdam – Stadtbereichsplanung Bornstedter Feld, Potsdam/Bonn 1993
Entwicklungsträger Bornstedter Feld (Hg.), Potsdam gewinnt – Ein Jahrzehnt Entwicklungsmaßnahme Bornstedter Feld, Potsdam 2004
Beiträge
Bernd Rubelt
Beigeordneter für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Bauen und Umwelt, Stadtverwaltung Potsdam
"Zwei Stadterweiterungsgebiete – Entstehung und Kontext"
Christoph Kohl
Architekt und Co-Autor des Masterplans für das Kirchsteigfeld (mit Rob Krier)
"Planung und Status"
Stefanie Kelz
StadtteilLaden Kirchsteigfeld
"Soziales Leben und Bewohnerinteressen im Kirchsteigfeld"
Laura Mameli
Architektin und Kunsthistorikerin, Forschung und Bewohnerumfrage zum Kirchsteigfeld
"Das Kirchsteigfeld zwischen Innovation und New Urbanism"
Sigrun Rabbe und Volker Theobald
Entwicklungsträger Bornstedter Feld
"Planungsprozess und Ergebnisse"
Matthias Finken
Sprecher und Mitinitiator der Interessenvertretung Bornstedter Feld
"Das Bornstedter Feld – Was wurde geschafft, was ist noch zu tun?"
Prof. Dieter Eckert
Architekt, FHP und Gestaltungsrat Potsdam
"Kirchsteigfeld und Bornstedter Feld – Zwischenbilanz nach vorn"
Erik Wolfram
Fachbereichsleiter Stadtplanung, Stadtverwaltung Potsdam
Kommentar