Vorschau

Stadt Forum #79

Mobi­li­tät in
Pots­dam

Wie gelingt stadtverträglicher Verkehr in Potsdam?

4.7.2024 / 18:00 / URANIA Planetarium Potsdam, Gutenbergstraße 71/72, 14467 Potsdam

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Eine Anmeldung ist nicht nötig.

Mehr Einwohner*innen und mehr Ver­kehr erfor­dern neue Mobi­li­täts­kon­zep­te. Zum bri­san­ten The­ma „Mobi­li­tät“ in Pots­dam ste­hen dabei kon­trä­re Mei­nun­gen im Raum. Sie rei­chen von „Wir brau­chen die Havel­span­ge!“ bis „Mut zur auto­frei­en Innen­stadt!“ (VCD Pots­dam). Doch was heißt eigent­lich „auto­frei“ bzw. „auto­arm“ und war­um ist das gut für eine leben­di­ge und zukunfts­ge­rech­te Innen­stadt? Wie kann stadt­ver­träg­li­cher Ver­kehr in Pots­dam zukünf­tig aus­se­hen? Wel­che Rol­le spie­len dabei Rad­we­ge­kon­zept und E‑Mobilität? Was kön­nen soge­nann­te Mobi­li­täts­hubs und Quar­tiers­ga­ra­gen, wie in Kramp­nitz vor­ge­se­hen, leis­ten?

Wir laden Sie herz­lich dazu ein, gemein­sam mit uns und vie­len betei­lig­ten Expert*innen zu dis­ku­tie­ren, wie eine zukünf­ti­ge Mobi­li­täts­ent­wick­lung in Pots­dam gelin­gen kann. Wir freu­en uns auf Ihre Teil­nah­me!

mehr dazu

Die nachhaltige, ressourcen- und umweltschonende Bewältigung der Mobilitätsbedürfnisse in der Stadt ist seit langem eine zentrale Aufgabe der Stadtpolitik. Durch den immer manifester werdenden Klimawandel und veränderte Nutzungsansprüche für den Straßenraum erhält dieses Feld der Stadtpolitik einen noch höheren Stellenwert.

Wesentliche Aussagen zur zukünftigen Mobilitätsentwicklung für Potsdam finden sich im Masterplan 100 % Klimaschutz und im Stadtentwicklungskonzept Verkehr (STEK-V) aus dem Jahr 2014. Da sich in den vergangenen 10 Jahren wesentliche Rahmenbedingungen für den Verkehr in Potsdam verändert haben (Einwohnerentwicklung, Kfz-Bestand, Ausbau Straßennetz und ÖPNV), wird der STEK-Verkehr z.Zt. fortgeschrieben. Auch weitere Planungen z.B. der Lärmminderungs- und Luftreinhalteplan sowie die Potsdamer Radverkehrsstrategie werden bzw. wurden überarbeitet.

Die wesentlichen Ziele der Fortschreibung dieser Planungen sind:

  • Die Stärkung des Umweltweltverbunds (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr)
  • Die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und seiner umweltschädlichen Auswirkungen
  • Die Förderung einer stadtverträglichen Mobilität
  • Langfristiges Ziel sind autoarme bzw. autofreie Wohnquartiere, zunächst insbesondere die barocke Innenstadt

In den einzelnen Maßnahme-Bereichen des bisherigen Konzepts wurden die umgesetzten bzw. bereits fest geplanten Maßnahmen (z.B. Um- und Neubau Straßenbahnlinien, E-Busse und Busspuren, Fußwegekonzept) genauer untersucht und in Bezug auf die Wirksamkeit für die o. g. Ziele bewertet. Ein neues Maßnahmenpaket für die Fortschreibung wurde konzipiert und soll Bestandteil der zukünftigen Planungen werden.

„Flächengerechtigkeit durch weniger Autos und mehr Räume für alle!“
(SVV-Beschluss Innenstadt – Straßenräume neu denken)

Eine entscheidende Vorgabe für die Fortschreibung ist der in den letzten 20 Jahren erfolgte Anstieg der Einwohnerzahl Potsdams auf ca. 190.000 Einwohner (2023/24), der sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird (s. Landeshauptstadt Potsdam, Bevölkerungsprognose 2020-2040). Dabei steht der Einwohneranstieg im Potsdamer Nordraum mit ca. 23.000 EW im Vordergrund, in dem das Entwicklungsgebiet Krampnitz entsteht. Der Modal Split, also die Anteile der einzelnen Verkehrsträger am Gesamtverkehrsaufkommen, hat sich in den letzten 15 Jahren zugunsten des Umweltverbunds verändert, während der Anteil des Kfz-Verkehrs reduziert wurde. Dazu haben sowohl die getroffenen Maßnahmen beigetragen als auch eine deutliche Veränderung hin zu Lebensweisen ohne Auto. Allerdings sind die Unterschiede je nach Wohnlage deutlich.

Parallel dazu ist jedoch der Kfz-Bestand in Potsdam auf ca. 100.000 KfZ (2022) angestiegen (s. Landeshauptstadt Potsdam, Fortschreibung des STEK-V, 2023), wobei davon auszugehen ist, dass die Kilometerleistung pro Kfz gesunken ist. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, würde der u.a. für die Umweltqualität benötigte öffentliche Raum durch immer mehr Stellplätze für parkende Autos belastet, die jedoch immer weniger benutzt werden. Insgesamt muss es weiter darum gehen, durch gute Alternativen die Akzeptanz für den Umweltverbund zu erhöhen.

Konträre Meinungen stehen im Raum. Sie reichen von „Wir brauchen die Havelspange!“ bis „Mut zur autofreien Innenstadt!“ (VCD Potsdam)

Der Anteil des Verkehrssektors an den bundesweiten CO2-Emissionen ist von 13 % (1990) auf fast 20 % gestiegen. Diese Entwicklung ist beunruhigend, denn viele PKW fahren heute klima- und umweltfreundlicher als vor 30 Jahren. In Potsdam liegt der Verkehrsanteil an den Emissionen mit 28 %  (2022) deutlich höher als der bundesweite Durchschnitt (s. www.klimapartner-potsdam). Vor allem in der stark befahrenen Zeppelinstr. und in der Behlertstr. kam es deswegen viele Jahre lang zu deutlichen Grenzwertüberschreitungen insbesondere bei den NOX-Emissionen. Seit 2022 konnten diese Grenzwertüberschreitungen reduziert werden u.a. durch die Neuaufteilung des Straßenraums (Anlage eines Radverkehrsstreifens in der Zeppelinstr. und durch Einführung von Pförtnerampeln im Rahmen der umweltorientierten Verkehrssteuerung. Dennoch bleibt der Verkehrssektor auch in Potsdam ein großer Problemfall, auch weil die Verkehrsemissionen seit dem Wegfall der Corona-Restriktionen wieder angestiegen sind.

 

Mehr Innenstadt – Modellversuch Dortustraße

Ein starker Fokus der Mobilitätspolitik in Potsdam liegt z.Zt. auf der Innenstadt. Im Mai 2023 hat die Stadtverordnetenversammlung das Konzept „Innenstadt – Straßenräume neu denken“ (DS 23/SVV/0060) beschlossen, das seitdem Gegenstand einer mehrstufigen Bürgerbeteiligung gewesen ist.

Oberstes Ziel ist eine attraktive und zukunftsgerechte Innenstadt, bei der die vorhandenen öffentlichen Flächen gerechter aufgeteilt werden zugunsten des nicht-motorisierten Verkehrs und einer höheren Aufenthaltsqualität.

Mit der Umsetzung dieses mehrstufigen Konzepts, für die 10 Jahre vorgesehen sind, wurde im Frühjahr 2014 in der Dortustraße (Abschnitt zwischen Hegelallee und Brandenburger Str.) begonnen. (s. www.potsdam.de/mehrinnenstadt ). Das parkscheinpflichtige Querparken wurde abgeschafft, 40 % der Autostellplätze wurden durch Sitzbereiche und Hochbeete ersetzt, der Abschnitt wurde verkehrsberuhigt, so dass alle Verkehrsarten gleichberechtigt sind. Eine Evaluierung ist vorgesehen.


Verkehrskonzept Krampnitz

Neue Mobilitätskonzepte sind nicht nur in der Innenstadt vorgesehen, sondern auch in den Stadtteilen des DDR-Städtebaus im Südosten (z.B. im Schlaatz) sowie in neuen Stadtteilen wie Krampnitz. Für das Entwicklungsgebiet Krampnitz im Norden Potsdams (ca. 10.000 EW, seit 2023 in Bau) ist ein „Stadtteil der kurzen Wege“ mit einem dichten Netz an Fuß- und Radwegen vorgesehen (s. Lagepläne Stadtverwaltung Potsdam und Entwicklungsträger Krampnitz). Die verkehrsarmen Straßen in Krampnitz sind fast ohne PKW-Stellplätze im öffentlichen Raum konzipiert. Stattdessen sind in Nähe der Wohnquartiere sog. Quartiersgaragen („Mobilitätshubs“) vorgesehen, die Sharing-Angebote für andere Verkehrsmittel machen, eine E-Ladestruktur anbieten, Stellplätze und Serviceangebote ggf. auch weitere Mobilitätsangebote enthalten. Dafür existiert bereits ein von der SVV beschlossenes Konzept, wonach fünf dieser Quartiersgaragen vom Entwicklungsträger mit einheitlichen und sozial gerechten Preisen betrieben werden sollen.

Weitere Quartiersgaragen sollen von den Wohnungsbauinvestoren eingerichtet werden, die dafür Baukostenzuschüsse leisten müssen. Obwohl bereits Wirtschaftlichkeitsberechnungen dafür vorliegen, handelt es sich dabei um ein Experiment. In deutschen Städten gibt es bis jetzt nur sehr wenig Erfahrung mit wirtschaftlich arbeitenden Quartiersgaragen.


Radwegekonzept für Potsdam

Das bestehende Radwegekonzept für Potsdam stammt aus dem Jahr 2017 und sieht eine Ausbauplanung zur fahrradfreundlichen Kommune vor.

Zur Neufassung des Radwegekonzepts gibt es ebenfalls weitreichende Planungen. Der ADFC Potsdam hat hierzu bereits einen 8-Punkte-Plan vorgelegt, der u.a. folgende Forderungen enthält:

  • Bau von 10 km neuen Radwegen pro Jahr
  • Reduzierung der Radverkehrsunfälle bzw. der verletzten Radfahrer
  • Keine „Bettelampeln“ mehr

Letzteres wurde kürzlich in einem SVV-Beschluss aufgenommen. Auch hat sich die Landeshauptstadt im Sinne größerer Verkehrssicherheit insbesondere für den Fuß-und Radverkehr an der kommunalen Initiative beteiligt, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einführen zu können.

Der Mobilitätsbereich ist seit vielen Jahren Gegenstand weitreichender technologischer Innovationen, die Mobilität in der Stadt umweltfreundlicher machen sollen und oft mit der Digitalisierung verknüpft sind. Ein entscheidender Baustein ist der von der Autoindustrie seit vielen Jahren vorangetriebene und von Staat und Kommunen umfänglich geförderte Ausbau der E-Mobilität (E-Kfz, E-Bikes, E-Scooter) und der dafür benötigten Ladeinfrastruktur. Ein Großteil der E-Fahrzeuge wird über private Ladestationen aufgeladen („Wallbox“), darüber hinaus wird die Anlage von öffentlichen Ladestationen massiv vorangetrieben. In Potsdam beteiligen sich Stromanbieter daran u.a. mit Ladestationen in Einkaufszentren, auch die EWP Potsdam betreibt in Potsdam 20 Ladestationen für Pkw. Die Ladestationen sind jedoch nicht alle wirtschaftlich, zudem stagniert der Absatz von E-Autos derzeit.

Der Ausbau von Car-Sharing und Bike-Sharing-Konzepten hat ebenfalls schon starke Wachstumsphasen erlebt, die Anbieter wechseln häufig. Der Entlastungseffekt dieser Konzepte in Bezug auf das Verkehrsaufkommen wird jedoch kontrovers diskutiert. Ein Problem ist das ungeregelte Abstellen von E-Bikes im Straßenraum, das trotz mehrfacher Regelungsversuche u.a. mit festen Abstellstationen immer wieder zu Unfällen und Behinderungen für Fußgänger führt.

Fragen:

  • Sind die geplanten Quartiersgaragen praxistauglich und wirtschaftlich zu betreiben?
  • Was ist zu tun, um die Akzeptanz der Stellplatzreduzierung bei den Geschäftsbetreibern in der Innenstadt zu vergrößern?
  • Wie kann die Bekanntheit und Akzeptanz der nicht ausgenutzten Parkhäuser der Innenstadt verbessert werden?
  • Braucht Potsdam eine Mobilagentur zur Förderung umweltfreundlicher Mobilität?
  • Was bedeutet konkret „autofrei“ bzw. „autoarm“?
  • Wie kann die Umsetzung der Beschlüsse gesichert bzw. beschleunigt werden? Stehen dafür alternative Finanzierungsoptionen (City-Maut, höhere Parkgebühren, Pflichtabgabe für Gewerbetreibende etc.) zur Verfügung?
  • Was sind Vorteile und Nachteile in der Entwicklung der E-Mobilität?

Literatur:

Stadtverwaltung Potsdam, Klimaschutzbericht 2022

www.potsdam.de/mehrinnenstadt

Allianz der freien Straße (Hg.) Manifest der freien Strasse, E-Book, Jovis-Verlag, 2022, www.strassen-befreien.de

www.klimapartner-potsdam.de
www.changing-cities.org

 

Beiträge

Norman Niehoff

Fachbereichsleiter

Mobilität und technische Infrastruktur, Stadtverwaltung Potsdam

Zur Webseite
Anja Hänel

Referentin

Verkehrsclub Deutschland, Potsdam

Zur Webseite
Martin Koller

ADAC Berlin-Brandenburg

Zur Webseite
Prof. Dr. Michael Ortgiese

Professor

Technische Universität Berlin, Verkehrs- und Mobilitätsmanagement

Zur Webseite
Philipp Otto

Sprecher

ADFC Brandenburg

Zur Webseite
Sophie Haebel, Stadt Forum #78, Thema Wärmewende, Foto: LHP, Barbara Plate

Stadt Forum #78

Wär­me- und Ener­gie­wen­de für Pots­dam

18.4.2024 / 18:00 / Kosmos im Kreativhaus Rechenzentrum

mehr dazu

Michael Prytula, STADT FORUM POTSDAM 77, Foto: LHP / Barbara Plate

Stadt Forum #77

Smart City
Pots­dam

30.11.2023 / 18:00 / Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

mehr dazu

Publikum_STADT FORUM POTSDAM 76, Foto: LHP / Barbara Plate

Stadt Forum #76

Kirch­steig­feld und Born­sted­ter Feld

14.9.2023 / 18:00 / Potsdam Museum

mehr dazu